
Sitz und Platz lernen – die ersten Kommandos für deinen Hund
SitzPlatzBlog Wenn ein Hund einzieht, gehören „Sitz“ und „Platz“ oft zu den ersten Kommandos, die man ihm beibringen möchte. Sie gelten als Basis der Hundeerziehung
Wenn ein Straßenhund aus dem Ausland einzieht, ist das oft eine Mischung aus Herzentscheidung und Hoffnung. Man sieht ein Bild, liest eine Geschichte, spürt dieses Ziehen im Bauch – und trifft eine Entscheidung, die das eigene Leben für immer verändern wird. So war es auch bei uns, als wir Amber adoptiert haben.
Heute, rückblickend, wissen wir: Es war genau richtig. Aber wir hätten uns besser vorbereiten müssen, um zu wissen, was wirklich auf uns zukommt.
Deshalb schreibe ich diesen Beitrag – nicht, um abzuschrecken, sondern um vorzubereiten. Damit andere Menschen, die einem Straßenhund aus dem Ausland ein Zuhause geben wollen, wissen, worauf sie sich einlassen – und warum es sich trotzdem lohnt.
Viele glauben, ein Hund aus dem Ausland sei besonders anhänglich, besonders dankbar, besonders leicht zu führen – weil er „gerettet“ wurde, aber das ist eine romantisierte Vorstellung.
Die Wahrheit ist: Viele dieser Straßenhunde aus dem Ausland haben schlichtweg noch nie gelernt, mit Menschen zu leben. Sie waren auf der Straße, in Zwingern, auf Pflegestellen oder in überfüllten Tierheimen. Sie kennen keinen Staubsauger, keine Treppen, keine Leine, keinen Fernseher, keine Wohnungstüren. Manche kennen nicht einmal das Gefühl, in einem geschlossenen Raum zu schlafen.
Amber, unsere Straßenhündin aus Zypern, hatte Angst vor Türen. Nur wenn die Tür komplett offen war, konnte sie durchgehen – durch einen Spalt quetschen oder die Tür auf schubsen war undenkbar. Sie konnte tagelang kaum zur Ruhe kommen, weil alles neu war. Dankbarkeit? Vielleicht. Aber viel stärker war die Verunsicherung. Und die muss man aushalten können – ohne Erwartungen.
Ein Hund, der bei einem Züchter aufwächst, lernt vom ersten Tag an, Menschen zu vertrauen. Ein Hund, der auf der Straße gelebt hat, hat gelernt, dass Nähe gefährlich sein kann.
Das bedeutet: Vertrauen muss neu gelernt werden. Es entsteht nicht in drei Tagen, sondern in drei Monaten – manchmal noch später. Manche Hunde aus dem Ausland fassen schnell Vertrauen, andere brauchen Monate. Manche kleben an dir wie ein Schatten, andere ziehen sich zurück, beobachten und testen.
Auch das ist normal. Aber es ist etwas anderes, als viele sich vorstellen. Ein Straßenhund ist kein weißes Blatt, das du frei gestalten kannst. Er bringt Geschichte mit. Und die musst du kennenlernen, nicht wegtrainieren.
Die ersten Wochen sind oft ernüchternd. Du hast dir gewünscht, dass es eine besondere Zeit wird – doch stattdessen musst du jede Tür doppelt sichern, nachts aufstehen, weil dein Hund nicht zur Ruhe kommt, und tagsüber ständig aufpassen, was er frisst, wohin er läuft oder was ihn erschreckt.
Es fühlt sich nicht romantisch an. Es fühlt sich nach Arbeit an. Nach Verantwortung. Und manchmal auch nach Überforderung. In den ersten Wochen macht ihr keine „tollen Ausflüge“ zum Hundestrand oder gar in den Urlaub. Du lässt deinen Hund nicht lange alleine und wirklich alles dreht sich um den Hund.
Und mache dich auf die unzähligen Nachfragen gefasst „Aber warum den einen Straßenhund? Da weißt du doch gar nicht, worauf du dich einlässt!“
Aber genau hier wächst eure Beziehung. Denn du bleibst. Du gibst Sicherheit, Geduld, Raum. Und das merkt dein Hund. Auch wenn er es noch nicht zeigen kann.
Es geht nicht darum, dass dein Hund „funktioniert“. Es geht darum, dass er ankommen darf. Und dass er lernen darf, sich zu orientieren. Dass du ihn nicht überforderst – aber auch nicht unterforderst. Dass du seine Signale liest, statt Erwartungen auf ihn zu projizieren. Irgendwann wird es so sein, dass du ganz vergisst, dass dein Hund mal ein Straßenhund war. Bei manchen Hunden aus dem Ausland geht das schneller und bei manchen dauert es etwas länger. Aber die Reise ist es, meiner Meinung nach, wert!
Bei Amber war das ein Prozess. Am Anfang wollten wir alles „richtig“ machen – Hundeschule, Futterplan, klare Strukturen. Aber sie war ganz woanders. Sie musste erstmal verstehen, dass sie sicher ist und wir bleiben. Dass sie Fehler machen darf. Und genau das war der Schlüssel.
Du musst deinen Hund nun erstmal kennenlernen. Es gibt meist kein Rasseportrait, an dem du dich orientieren kannst. Du weißt noch nicht, wie reagiert der Hund auf andere Hunde, Katzen, Tiere oder Kinder. Wovor hat er Angst und was mag er.
Irgendwann – nach Wochen oder Monaten – schaut dich dieser Hund an. Und du spürst, dass da etwas gewachsen ist. Keine oberflächliche Bindung, kein erlerntes „Sitz“ oder „Bleib“. Sondern etwas Echtes. Etwas, das Zeit gebraucht hat. Und jetzt bleibt. Da guckt kein Straßenhund mehr, kein Hund aus dem Ausland – da guckt dich dein Hund an. Dein Hund, dem du mit ganz viel Liebe, Vertrauen und Geduld das gegeben hast, was er am meisten brauchte. Auch mit Strenge, Konsequenz und viel Training wirst du das erreicht haben.
Amber ist heute ein tief verbundener Teil unseres Lebens. Sie hat Eigenheiten, Unsicherheiten, aber auch unglaubliches Vertrauen aufgebaut. Und genau das macht sie für uns so besonders.
Wenn du überlegst, einem Straßenhund, einem Hund aus dem Ausland ein Zuhause zu geben: Tu es – aber nicht spontan, nicht aus Mitleid, nicht ohne Vorbereitung.
Informiere dich über die Organisation, über den Ablauf, über die Bedürfnisse von Tierschutzhunden. Stelle dich darauf ein, dass es nicht leicht wird. Und sei dir bewusst, dass die ersten Wochen entscheidend sind – für den Hund und für eure Beziehung.
Wir haben unseren Hund beim Tierschutzverein Zypernhunde e.V. gefunden und ich kann nur Gutes über die Kommunikation und dem Ablauf mit dieser Organisation sagen!
Aber wenn du bereit bist, diesen Weg mit Geduld, Ruhe und Offenheit zu gehen, dann bekommst du nicht nur einen Hund. Du bekommst eine Geschichte. Und manchmal sogar eine neue Sicht auf dich selbst.
Wenn du Fragen hast oder deine eigene Erfahrung teilen möchtest, freuen wir uns über deinen Kommentar.
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